Liebe Leserin, lieber Leser
Alle meine Bücher können Sie hier direkt bestellen - auf Wunsch signiert. Meine neueren Werke erhalten Sie auch im Buchhandel. Ich wünsche Ihnen viel Inspiration und Vergnügen beim Lesen und Weiterschenken!
Bitte bei jedem Buch Menge und Signaturwunsch ankreuzen. Am Ende des Buchkatalogs finden Sie die Bestellmöglichkeit.
«Es klingt vielleicht seltsam, liebe Anwesende, aber ich glaube, wir müssen zum erstenmal wirklich denken lernen. Ich will nicht behaupten, Sie denken nicht. Und doch ist es so, dass wir den ganzen Tag von einer Rolle in die nächste wechseln. Meistens ist unser Denken beeinflusst, ja gefesselt von der Funktion, die wir gerade einnehmen. Die Rolle, die wir spielen, fesselt unser Denken.
Wann aber denken wir nicht als Interessenvertreter, sondern einfach als Mensch? Am ehesten in Momenten, wo wir allein sind oder wenigstens ungestört: im Zug zum Beispiel, wenn wir zum Fenster hinausschauen; an einer Bushaltestelle zum Beispiel, beim Betrachten eines Werbeplakats; zuhause, spätabends vielleicht, wenn wir allein in der Küche sind: Plötzlich denken wir über den Sinn unseres Lebens nach. Plötzlich geschieht es sogar, dass wir überhaupt über das Leben sinnieren, über Zufall und Schicksal, über den Tod und was wohl danach kommt.
In solchen Momenten fallen alle Verkleidungen von uns ab; in solchen Momenten denken wir ganz als wir selbst. Das Problem ist nur...
Aus der Einleitung
Heiraten ist einfach und kostengünstig. Sie reichen die nötigen Dokumente ein, vereinbaren einen Termin mit dem Standesamt, bezahlen die verlangte Gebühr, bringen am Tag der Trauung zwei Trauzeugen mit und lassen sich trauen. Nach einer Viertelstunde sind Sie verheiratet, und abends lassen Sie eine Party steigen.
Als moderner Mensch könnte man sich die Frage stellen: Weshalb dann doch eine zweite Trauung? Weshalb eine feierliche Zeremonie? Weshalb nicht bloss eine Party, sondern ein Hochzeitsfest?
Wir wissen die Antwort: Weil Heiraten mehr als nur eine amtliche Angelegenheit ist. Heiraten ist ein Bekenntnis. Es geht um ein Versprechen, das sich ein Paar möglicherweise fürs Leben gibt. Es geht um den ersten Schritt zu einer Familie. Es geht um die Krönung eines gemeinsam begonnenen Weges. Es geht um die schöne Gewissheit: Wir gehören zusammen. Es geht um Liebe.
Dafür sind 15 Minuten vor einer Behörde zu wenig. Heiraten verdient eine höhere Wertschätzung. Das war schon immer so. Seit jeher wurden Hochzeiten nicht nur beschlossen, sondern gefeiert. Und seit jeher stand im Mittelpunkt einer Hochzeit eine feierliche Zeremonie.
Am folgenden Tag, als sie wie üblich mit Bravo spazierengehen wollen, ist der Wanderweg, der in ihrer Nähe beginnt, mit rotweissen Bändern versperrt. Sie haben gelesen, dass beliebte Naherholungsgebiete überall nicht mehr zugänglich sind, damit sich die Menschen nicht nahe kommen und sich entscheiden, zu Hause zu bleiben. Ausserdem hat Chantal gesehen, dass die Schulhausanlage abgesperrt ist, der Spielplatz im Zentrum des Dorfes und die Bänke im kleinen Park.
Jetzt stehen sie vor den rotweissen Bändern, und Bravo schaut sie erwartungsvoll an, warum sie nicht weitergehen. Astrids Miene verrät ihren Unmut.
«Siehst du das?» sagt sie und zeigt auf die Absperrung. «Spinnen die jetzt total?»
Sagt es und drückt das Absperrband nieder, um es zu übersteigen. Chantal will Astrid zurückhalten, lässt sie dann aber machen und steigt selber über das Band, nachdem sie sich vergewissert hat, dass sie niemand beobachtet. Befreit, als hätten sie eine Last abgeschüttelt, schreiten sie aus und geben sich verschworen die Hand. Bravo springt übermütig vor ihnen her. Über den zurückeroberten Weg scheint auch er ganz erfreut zu sein.
Plötzlich bleibt Astrid stehen, löst sich aus Chantals Hand und sagt: «Wir heiraten trotzdem. Genau wie geplant.»
Chantal schaut sie verständnislos an: «Wie meinst du das – wir heiraten trotzdem?»
Astrid lächelt herausfordernd. In ihrer Miene blitzt so etwas wie Kampfeslust auf. «So wie wir dieses Absperrband überstiegen haben: Wir machen unser Hochzeitsfest trotzdem. Wir laden alle unsere Gäste ein, genau an dem Tag, an dem die Hochzeit geplant war. Am 11. April. Trotz Versammlungsverbot.»
Die beiden Wegweiser an der Landstrasse lasen wir schon von weitem. Der eine, der nach rechts, Richtung Süden zeigte, trug die Aufschrift «Dublin», und dahin wollten wir.
Aber da war noch das andere Schild. Es zeigte nach links, Richtung Norden: Es zeigte nach «Belfast» – und als ich es sah, diesen Namen sah, wusste ich augenblicklich, dass ich keinerlei Lust verspürte, bloss in Irland herumzureisen. Ich wollte nach Nordirland. Ich wollte erleben, wie es ist, wenn ein Land sich im Ausnahmezustand befindet, und mein Schulfreund wollte zum Glück dasselbe.
Bedenken hatten wir keine. Wir waren erst 18 damals und vom Feuer des Lebens noch unversehrt. Wo etwas brannte, etwas passierte, zog es mich hin. Ich musste dabeisein. Ich hielt das Aussergewöhnliche, das Gefährliche für das Leben selbst, und ich war schon zu weit von meiner Kindheit entfernt, um mich zu fürchten.
Wir hatten unsere Rucksäcke eben erst hingestellt und den Daumen gestreckt, als schon ein Wagen neben uns stoppte...
Wieder folgte ein solcher Abend.
Unter den Spielern am Tisch, dem Prinzen direkt gegenüber, sass der Zocker, der vielleicht so alt wie sein Vater war. Der Mann wirkte souverän und erfahren, gewohnt zu gewinnen, gewohnt auch, gelegentlich einzustecken. Ohne Eifer, ohne Hast legte er Karte um Karte. Milan beobachtete ihn, wie er ausspielen wollte, wie er zögerte und eine andere Karte heraussuchte. Er machte das alles ganz konzentriert, ohne aufzuschauen, wie ein Handwerker, der in seine Arbeit vertieft ist. Im Aschenbecher glimmte die Zigarette, der Café Creme stand unberührt auf dem Tisch: Eine Viertelstunde verging, ehe der Spieler den ersten Schluck zu sich nahm.
Milan dagegen konnte sich kaum gedulden, bis die Reihe wieder an ihm war. Die Karten brannten in seiner Hand. Während des ganzen Spiels rauchte er schnell und fast pausenlos, dazu trank er Weisswein, ein Glas nach dem anderen. Der Routinier am Tisch liess ihm keine Ruhe, er wollte ihn unbedingt in die Enge treiben. Auch wenn er dabei alles riskierte.
«Einer wie du, der nur auf Risiko spielt und keine Defensive kennt, aus dem wird nie ein grosser Zocker», hatte Rolf, der Kollege, einmal gespottet.
«Wenn man auf Risiko geht», hatte Milan selbstsicher geantwortet, «dann holt man auch mehr. Am Schluss zahlt es sich aus.»
Doch so ruhig, wie sein Gegner gespielt hatte - so ruhig kassierte der Mann am Ende des Spiels. In der Miene des Zockers war nicht das geringste Triumphgefühl zu erkennen, als er die Noten in seine Brieftasche schob. Der Prinz hatte keine Chance gehabt.
Es war schon spät, bald Mitternacht. Spätestens um acht Uhr bin ich zu Hause, hatte er zu Corinne gesagt. Nun hatte er nicht einmal angerufen. In seiner Brieftasche war bloss noch Kleingeld, der Wirt musste ihm alles auf Rechnung nehmen: Einmal Mittagessen, dreimal Cafe Creme, 21 Gläser Fendant. Er trank den Wein schon wie Wasser, das wusste er."
Aus "Der Spieler von Zürich"
Das Jahr, als die Stadt uns gehörte
Ein Gedankengang 40 Jahre danach
"Jede Bewegung hat einen Namen. Sie nennt sich Klimabewegung, Friedensbewegung, Frauenbewegung, Umweltbe- wegung, Asylbewegung, und jede Bewegung hat ihre Forderungen und ihr Programm. 1980 jedoch gab es in Zürich eine Bewegung, die namenlos war. Man wollte auch ihr einen Titel geben und bezeichnete sie als ›Jugendbewegung‹. Doch sie selber sagte das nicht von sich. Sie verweigerte sich jeglicher Klassifizierung.
Sie nannte sich einfach ›Bewegung‹.
Ich kenne keine andere Bewegung, die von sich selber so sprach. Was aber wollte sie damit ausdrücken? Wie hat sie begonnen?"
> Weitere Inhaltsangaben siehe in Bücher
Tschanun
Als er nach Zürich kam, brachte er seinen Revolver mit. Eine Waffe im Gepäck ist wie ein guter, verlässlicher Freund, und Günther Tschanun hatte sonst keine wirklichen Freunde. Er stammte aus Wien und war in Bern Schweizer Bürger geworden. Hinter dem 43jährigen lag eine gescheiterte Ehe und der erfolglose Versuch, als selbständiger Architekt Karriere zu machen.
Tschanun kam aus Bern, um noch einmal neu anzufangen. Er glaubte, in Zürich werfe die Sonne keine Schatten. 120‘000 Franken Jahressalär. Und Vorgesetzter über 40 Mitarbeiter. Man warnte ihn freundlich, er werde sehr viel Arbeit haben als Chef der Baupolizei, doch Tschanun ging darüber hinweg...
Auszug aus "Gomera"
Doch im nächsten Moment schien es, als existiere Madeleine nicht mehr. Der Gedanke an sie war wie ausgelöscht. Denn im dampfenden Wasser, vom Innenbecken her kommend, tauchte der Kopf einer Frau auf, einer Frau mit pechschwarzem Haar.
Maria.
Der Name war wie eine Erschütterung. Und obwohl Klaus nicht den geringsten Zweifel hatte, verdrängte er seine Gewissheit, weil es nicht sein konnte, weil es unmöglich war. Klaus musste sich am Beckenrand festhalten, so ausser sich schlug sein Herz.
Maria schwamm auf ihn zu, das lange schwarze Haar zusammengebunden wie damals, als hätte sich nichts geändert. Und jetzt erkannte sie ihn, und sie lächelte, durchaus bewegt, aber nicht überrascht - als hätte sie die Begegnung erwartet.
«Maria!» rief Klaus, der es noch immer nicht fassen konnte. Er suchte Halt mit den Füssen – das Bad war nicht sehr tief – und ging ihr im Wasser entgegen.
«Hallo Klaus!» sagte Maria, als sie einander erreichten, und auch sie suchte Halt am Boden des Beckens. Es war ein extremer Moment. Es war dies ein Augenblick, wie er nur einmal im Leben vorkommt. Tausend Dinge geschahen gleichzeitig. Sie standen im Wasser, schauten sich in die Augen, sahen ihre älter gewordenen Züge, forschten, ob sie noch immer dieselben waren wie damals, dachten an damals - und dachten an jetzt.
Inzwischen fuhren wir durch das Dorf, und bei der Post, am Fussgängerstreifen stand ein junges Paar, das die Absicht hatte, die Strasse zu überqueren. Julia bremste und winkte dem Paar, aber die beiden wollten gar nicht über die Strasse. Sie wandten sich einander zu, und sie küssten sich. Während Julia kommentarlos den Gang wechselte und wieder beschleunigte, benützte ich die Gelegenheit:
„Hast du gesehen – sie küssten sich! Wir küssen uns nicht.“
„Ich habe gar keine Lust, dich zu küssen“, erwiderte Julia, den Blick betont auf die Fahrbahn gerichtet.
„Warum nicht?“
„Weil du mir vorkommst wie eine Fata Morgana. Sobald man näher kommt, ist nichts mehr da.“
„Ich bin zwar keine Fata Morgana“, erwiderte ich, „aber du gibst damit zu, dass du mich noch liebst. Denn zu einer Fata Morgana fühlt man sich hingezogen, so ist es doch?“
Julia wollte nichts zugeben.
„Sag, dass du mich immer noch liebst“, insistierte ich bettelnd.
„Nein, das sage ich nicht“, erwiderte Julia.
„Also liebst du mich nicht mehr?“
„Das habe ich auch nicht gesagt.“
„Also liebst du mich noch. Ist es so?“
Julia liess sich nichts anmerken. Nicht einmal ein Lächeln bekam ich als Antwort. Sie blickte geradeaus und achtete auf den Verkehr – während ich mir überlegte, welche Gefühle sie zu mir wirklich hatte. Eine halbe Sache kam für sie nicht in Frage, das wusste ich. Ihre Gefühle gab sie nicht mit dem Messlöffel ab. Julia liebte ganz oder gar nicht. Wenn sie mich gar nicht mehr lieben würde, sinnierte ich, würde sie anders reden. Dann würde sie vielleicht nicht mehr reden. Sie würde verstummen. Ich merkte plötzlich, wie erleichtert ich war. Wenn Julia noch mit mir sprach, dann war sie auch bereit, mich wieder zu küssen.
Wir befanden uns jetzt am Ende des Dorfes und passierten die Tankstelle, deren gelb-orange Leuchtumrandung aus der Dunkelheit strahlte wie ein amerikanischer Traum. Die Tankstelle war das neue Wahrzeichen des Dorfes, zumindest bei Nacht, sie verwandelte unsere kleine alpenländische Welt in den Schauplatz eines nächtlichen Roadmovies. An ihr vorbeizufahren, weckte gute Gefühle, besonders an diesem Abend, denn ich wusste: Amerikanische Filme nehmen meistens ein gutes Ende.
Nur die Filmmusik fehlte noch, und ich drehte am Radio und stiess auf die Stimme Lou Reeds. Das Stück hiess Walk on the wild side. Es versetzte mich schon nach den ersten Takten in eine Stimmung, die keine Sorgen und keine Eheprobleme kannte.
Die Schlucht begann, die unser Dorf vom Rest der Welt trennte, und Lou Reed schlug uns vor, auf die wilde Seite des Lebens zu wechseln. Genau das wollte ich endlich tun. Es schien mir plötzlich ganz leicht.
Aus "Der Tag, an dem ich beschloss, mich zu ändern"
Ein Bergbauer sucht eine Frau
Der häufigste Besucher bei Fridolin Stüssi ist der Briefträger. Zufällig kommt hier niemand vorbei, denn das Heimet des Bauern liegt abseits der Wanderwege, in der hintersten Ecke des Ferienorts. Dass der 42jährige, noch immer ledige Stüssi eine Frau suchte und dass er es auch mit Kontaktanzeigen versuchte, war bekannt im Dorf, jeder wusste es. Als ich dem Bauern wieder einmal begegnete, fragte ich ihn selber. Ob er bereit wäre, mir seine Geschichte zu erzählen?
Aus dem Buch "Aus heiterem Himmel"
Inhalt:
Der Blitzschlag
Die Linde von Linn
Die Härte eines Bauern
Der Waldmensch
Der Sinn des Lebens
Der Zettel im Briefkasten
Küssen müssen
Der Pferdefuss
Bei sich selbst
Die Bedrohung
Das Geheimnis des Lehrerzimmers
Der Halt
Den Kronleuchter schaudert's
Zeit der Stille
Aus heiterem Himmel
Die Augen der venezianischen Masken
Die Frau von der Venus
Heimatort: Küsnacht
Das erste Bild, das ich sehe, zeigt eine steile, steile Strasse. Ich bin klein, und die Strasse erhebt sich vor mir wie der Aufstieg zu einem mächtigen Berg. Immer wieder halte ich inne und schaue bergan: Weit oben hinter der Kurve ist die steile Strasse zu Ende, doch der Weg bis dort ist so weit!
Mit meiner Hand streiche ich der Mauer entlang, die neben dem Trottoir verläuft, ich fahre mit den Fingerspitzen über die rauhe Fläche, über kleine Vorsprünge, Löcher und Ritzen, über moosige Flecken, die mir vorkommen wie bewaldete kleine Inseln in einem Meer aus Stein. Ich kenne jede Spalte, jeden Riss in der Mauer, bin schon hundertmal an ihr vorbeigestrichen wie eine unentschlossene Katze.
Die verwitterte Mauer kommt mir immer zuerst in den Sinn. Und die Mühsal des unendlich langen Heimwegs vom Dorf nach Hause zurück, in der Hand das Einkaufsnetz, im Sommer das Badezeug. In meiner Erinnerung sind alle Strassen in meinem Heimatort steil. Wenn ich aber denselben Weg heute gehe, verharre ich unterwegs kein einziges Mal – schon bin ich oben. Die Mauer am Steig ist noch da, gewiss, die Furchen und Risse aus meiner Kindheit erkenne ich alle wieder. Aber die Mauer ist nur noch ein Mäuerchen – und so geht es mir mit dem ganzen Dorf.
Aus "Die Freiheit der Sternenberger"